Willkommen zu unserem ersten Blogbeitrag über unseren Besuch beim ersten Gesichtsschmerz-Forum in Hamburg-Eppendorf am 19.04.2024!
- Gerlinde Philipp
- 3. Mai 2024
- 3 Min. Lesezeit

Marion, Annette und ich reisten als kleine "Abordnung" unserer Selbsthilfegruppe zu dritt zum ersten Gesichtsschmerzforum am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf an. Dank guter Beschilderung fanden wir uns auf dem weitläufigen Klinikgelände zurecht und trafen kurz vor 15:00 pünktlich im Hörsaal ein. Etliche Betroffene und Angehörige hatten sich eingefunden und für die Pause standen Snacks und Getränke bereit.
Ein erster Überblick
Zu Beginn des Forums stellte Professor Arne May das erste Gesichtsschmerzzentrum Deutschlands und seine Mitarbeiter vor und wir erhielten einen Eindruck von den wesentlichen Arbeitsschwerpunkten. Im Publikum stieß die Frage, wie die Kontaktaufnahme zum Gesichtsschmerzzentrum am besten erfolgen sollte und welche Rolle diesem im Diagnose- und Behandlungsverlauf von Patienten zukommt, auf besonders großes Interesse. Professor May beantwortete alle Fragen ausführlich. Danach informierten verschiedene Vortragende umfassend über Gesichtsschmerzerkrankungen, mögliche Differentialdiagnosen und Behandlungsmöglichkeiten. Dabei wurden auch einige Fallbeispiele besprochen. Das Thema wurde aus der Sicht der Zahnärzte, der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgen und der Schmerzspezialisten, beleuchtet.
Der atypische Gesichtsschmerz - ein Sonderfall
Der persistierende idiopathische Gesichtsschmerz (vormals atypischer Gesichtsschmerz) oder PIFP (persistent idiopathic facial pain), wie ihn die Experten vom UKE bevorzugt bezeichnen, nimmt insofern eine Sonderstellung ein, als er im Ausschlussverfahren diagnostiziert wird und seine Pathophysiologie – also die ihm zugrundeliegenden Entstehungsmechanismen - noch unklar ist. Während viele andere Gesichtsschmerzerkrankungen, allen voran die Trigeminusneuralgie, bereits relativ gut erforscht sind und somit schon besser behandelt werden können, tappt man im Falle des PIFP noch ziemlich im Dunklen. Eine nachweisbare Ursache für die Schmerzen kann nicht ausgemacht werden und Medikamente, die gezielt zum Einsatz kommen und schnell und zuverlässig wirken, gibt es derzeit noch nicht. Zunächst gilt es, die Hintergründe des PIFP zu erforschen und zu verstehen, erst dann kann die Forschung nach Medikamenten erfolgreich sein. Das ist für alle, die unter diffusen, unklaren Gesichts- und Zahnschmerzen leiden, ernüchternd und diejenigen, die sich an dieser Stelle eine schnelle Lösung erhofft hatten, waren nun wohl enttäuscht.
Schwierig zu behandeln bedeutet nicht, dass man gar nichts machen kann!
Die Lage ist jedoch nicht hoffnungslos. Professor May berichtete, dass einem erheblichen Teil der vom PIFP Betroffenen dennoch schon heute gut geholfen werden kann. Man greift dabei auf Medikamente, die eigentlich für andere Erkrankungen entwickelt wurden, Antidepressiva und Antikonvulsiva, zurück und versucht, mit viel Geduld die für den Einzelnen wirkungsvollste, individuelle Medikamentenkombination zu finden. Ein multimodaler Ansatz ist am sinnvollsten. Verhaltenstherapie oder TENS (transkutane elektrische Nervenstimulation) können etwa die medikamentöse Behandlung ergänzen und dazu beitragen, auch in hartnäckigen Fällen eine gute Lebensqualität zu erreichen.
Mit der Migräne war es einst ganz ähnlich
Prof. May vergleicht den heutigen Stand der Forschung zum PIFP mit dem zu Migräne vor etwa 30 Jahren. Man wusste damals nicht, wie diese Kopfschmerzform zu behandeln ist, zweifelte an einer organischen Ursache und schob Betroffene oftmals in die Psychoecke. Erst nachdem man die Entstehungsmechanismen von Migräne verstanden hatte, konnte man damit beginnen, gezielt nach Medikamenten zu forschen. Heute stehen etwa mit den Triptanen oder Antikörpern wirkungsvolle Medikamente für den Akutfall und die Prophylaxe zur Verfügung und Migränepatienten werden ernst genommen. Diese Entwicklung liegt im Falle des PIFP noch vor uns. Um sie voranzutreiben, sind Informations- und Aufklärungsarbeit und insbesondere die Eigeninitiative der Betroffenen nötig. Es gilt, den PIFP in den Fokus zu rücken und auf das bis heute stark vernachlässigte Thema Gesichtsschmerzen aufmerksam zu machen.
Es wird geforscht!...
Gegen Ende der Veranstaltung wird eine Studie vorgestellt, die aktuell am Institut für systemische Neurowissenschaften des UKE durchgeführt wird, und alle – sowohl von Gesichtsschmerzen Betroffene als auch Gesunde – werden eingeladen, sich daran zu beteiligen.
…Aber noch nicht genug!
Damit in Zukunft intensiver und schneller geforscht werden kann, sind mehr finanzielle Mittel notwendig. Damit diese auch fließen, müssen chronische Gesichtsschmerzen als ernsthafte Erkrankung wahrgenommen werden. Wir, die Betroffenen, müssen „sichtbar“ werden!
Unser Fazit
Auch wenn - wie erwartet – keine einfache Lösung oder gar ein Wundermittel gegen unsere Schmerzen präsentiert wurde, verabschiedeten wir uns dennoch in guter, optimistischer Stimmung von Hamburg. Wir haben den Eindruck, dass unsere Schmerzerkrankung an dieser Klinik ernst genommen wird und wir damit nicht alleine gelassen werden. Auf die nächste Veranstaltung zum Thema sind wir gespannt und hoffen, dass bis dahin so viele betroffene Menschen erreicht werden, dass der Hörsaal bis auf den letzten Platz belegt sein wird.
Für alle, die nicht kommen konnten…
Die Vorträge des ersten Hamburger Gesichtsschmerzforums wurden gefilmt und sollen in einigen Wochen auf YouTube veröffentlicht werden. Wir werden den Link dazu hier ebenfalls teilen.
Im Sinne unserer Devise „sichtbar werden – gemeinsam handeln“ möchten wir euch einladen, unseren Blog zu teilen und zu kommentieren und euch auch auf die Möglichkeit aufmerksam machen, unseren Newsletter zu abonnieren.
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